Der Mond war von den Wolken verdeckt, so dass nur ein paar Sterne die Nacht erhellten. Kalter Nordwind wehte ihr, ihren roten Lockenschopf ins Gesicht. Ihre Füße waren nackt und bläulich angelaufen durch das kalte Metall auf dem sie stand. Ihr Körper war von Gänsehaut übersäht, das kurze weiße Kleid mit Blümchenmuster hielt nicht warm sondern spielte gefällig mit dem Wind. Stille. Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel und schien wie in Zeitlupe auf das Metall zu fallen. Fallen lassen. Wenn sie bei ihm war hatte sie sich immer fallen lassen können, mit  ihm war es nie still. In ihrem Kopf hallte sein ansteckendes Lachen wider. Der Gedanke an seine warmen Umarmungen und unendliche Zärtlichkeit ließ sie für eine Sekunde aufhören zu frieren. Seine Stimme hatte sie immer beruhigt, egal wie wütend oder traurig sie war, er schien immer die richtigen Worte zu finden. Seine zarten Lippen auf ihrer Stirn hatten ihr Sicherheit gegeben. Ja, bei ihm hatte sie sich fallen lassen können. Eine weitere Träne löste sich aus ihrem Auge und schlug mit einem scheinbar unfassbar lauten Knall nieder. Glioblastom, Hirntumor im Endstadium hatten die Ärzte gesagt. Sie hörte sein ansteckendes Lachen im Untersuchungsraum hallen, nervös aber immer noch fröhlich. Sie spürte noch einmal wie ihre Lippen seine kalte Stirn küssten. Sein Lachen war verstummt.

            Der Regen riss sie aus ihren Erinnerungen. Ihr Mascara war verwischt und zeichnete Linien ihres Gesichts nach. Ihre Hände verkrampften sich am Brückengeländer. Bei ihm hatte sie sich fallen lassen könne. Er hatte ihr  Wärme und Sicherheit gegeben. Fallen lassen. In der Hoffnung, dass Gott sie in seine Arme fallen lassen würde, ließ sie los und fiel. Stille. - Meaningless